Pioneer SX-950

Die Welt der alten Hifi-Geräte ist eine Welt, in der früher alles besser war. Wann genau der Niedergang einsetzte, darüber streiten sich die Beteiligten, für jeden stellt sich die Situation anders da. Wobei es nur wenige Leute gibt, die Hifi-Geräte gelten lassen würden, die nach 1990 bebaut wurden.

Aber davor? Eine Geschichte, und dieser Geschichte neige ich zu, auch wenn ich kein Dogmatiker bin, erzählt und erklärt den Niedergang proto-ökonomisch. Die japanische Konsumgüterindustrie war ja eine fast reine Exportangelegenheit: All die wunderschönen Hifigeräte, die die Japaner bauten, gab es im Japan der Sechziger und Siebziger kaum zu kaufen, sie gingen in die USA und nach Westeuropa. Und weil der Kurs des Yen zum Dollar zu sehr günstigen Bedingungen fixiert war, konnten die Japaner ihre Geräte ziemlich konkurenzlos herstellen und verkaufen. So günstig, dass den Ingenieuren in den Firmen lange Zeit freie Hand gelassen wurde. Sie konnten mehr oder weniger bauen, was und wie sie wollten, Hauptsache es verkaufte sich, der Aufwand spielte eine untergeordnete Rolle. Bis 1971 der Wechselkurs freigegeben wurde, und ab 1973 ziemlich rabiat fiel. Um die Märkte halten zu können, mussten die gleichen Produkte auf einmal günstiger hergestellt werden. Da fing, so geht diese Geschichte wenigstens, das Unglück an. Die Controller erscheinen in den Büros und fangen an, den Ingenieuren hineinzuquatschen. Geht’s nicht billiger? Muss es so aufwändig sein?

Tatsächlich lässt sich diese Geschichte entlang der Produktlinien der großen japanischen Hersteller nachvollziehen. Da ich von Technik keine Ahnung habe, und es im Detail nicht schildern kann, ich mach es mal am Gewicht fest, mein Pioneer SX-950 von 1976 wiegt fast 20 Kilo und der Nachfolger SX-980 von 1978 kommt nur noch auf knapp unter 19 Kilo. Ohne es selbst einschätzen zu können, heißt es von Leuten, die sich auskennen: im SX-980 seien Bauteile von minderer Qualität verbaut worden, als im SX-950. Dafür hat der 980 die schöne zusätzliche Lautstärkeanzeige, die sieht natürlich super aus. Aber wer weiß, vielleicht ist dafür ja auch ein Marketing-Typ vorbei gekommen und hat gesagt: das wollen die Leute! Knappst bei der Technik was ab! Aber baut diese beleuchteten VU-Meter ein, sieht super aus!

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So oder so: der Pioneer SX-950 ist eine elegante Maschine. Holzgehäuse, dicke Alu-Front, sehr gutes Anfassgefühl. Die Knöpfe sind aus vollem Aluminium. Und das ganze Design ist sehr hell, viel Licht. Die Receiver-Baureihen davor, also die Nummern X2X und X3X, hatten eine Frontplatte, die stärker mit einem hell-dunkel-Kontrast arbeitet: vor allem eine dunkel hinterlegte Radiofrequenz-Anzeige. Mir gefällt diese Serie besser.

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Mein Gerät kommt von einem Automechaniker aus Steglitz, ich habe 170 Euro bezahlt, es war allerdings ziemlich angeschlagen, ein Drehknopf war falsch, jemand hatte mal dran herumgemacht, hatte die Madenschraube des Lautstärkereglers wohl nicht gefunden und versucht, ihn mit einem Schraubenzieher abzuhebeln, daher kamen wohl die tiefen Kratzer auf der Frontplatte. Ein paar Lämpchen waren ausgefallen. Und auch drinnen waren ein paar Teile ausgetauscht worden, wohl ziemlich anfängermäßig. Zufälligerweise hatte man bei Good Old Hifi noch die Frontplatte eines Schlachtgeräts, deshalb sieht der Receiver nun wieder aus wie neu.

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Wenn dieser merkwürdige Fleck im Holz nicht wäre – wie eines dieser Brandmale, das die Cowboys ihren Kühen ins Fell brennen.

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Aber irgendwie mag ich dieses Zeichen: man hat die alten Geräte ja auch, um die Spuren der Zeit zu sehen.

Ein Gedanke zu “Pioneer SX-950

  1. Ach ja, die guten alten Zeiten 🙂 ich habe den Niedergang der HiFi-Industrie noch wieder ganz anders erlebt. Was sicherlich daran liegt, das ich meine erste HiFi-Anlage mit ca. 16 bekam. Das war 1985. Damals gab es noch all die Geräter von deutschen Herstellern wie Grundig, Blaupunkt etc. Laut Testberichten in Fachzeitschriften wie etwa HiFi, stellte man damals sehr gute Geräte in Deutschland her. Aber es drängten immer mehr Japaner mit ebenfalls sehr guten Testergebnissen zu günstigeren Preisen in den Markt. Auch im Foto-Bereich. Fast alle deutschen Hersteller der damaligen Zeit gibt es nicht mehr. Nur Blaupunkt hat irgendwie im Car-HiFi überlebt. Aber das ist schon alles, von dem was mir so aufgefallen war. Jetzt tauchen die alten Markennamen kurioserweise plötzlich wieder auf. Das hat aber nicht mehr viel mit dem alten Glanz zu tun. So ändern sich eben die Zeiten 🙂

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