Sherwood S-9910

Die stolze amerikanische Hifi-Industrie stürzt in den Siebzigern ja genauso ab wie die deutsche. Um 1970 herum sind The Fisher, Marantz oder Harman-Kardon noch große Unternehmen, die aus der riesigen amerikanischen Unterhaltungsindustrie hervorgegangen sind.  Nirgendwo dürfte es in den Fünfzigern und Sechzigern so viele Radiosender gegeben haben wie in den USA, auch und vor allem lokale Sender, um die sich dann Musikszenen bildeten. Und nirgendwo gab es so viele Plattenlabels wie dort. Für all das brauchten die Leute Radios und Plattenspieler. Und dann, zehn Jahre später, ist es vorbei. Marantz und Fisher werden von japanischen Unternehmen gekauft, und lassen dort dann auch herstellen, Harman geht erst an einen amerikanisches Mischkonzern und wird dann ebenfalls nach Japan verkauft. Mitte der Achtziger kehrt die Firma allerdings in die USA zurück.

Man muss deshalb nicht traurig sein. Die japanischen Hersteller sind einfach besser und verdrängen die deutschen und amerikanischen Anbieter deshalb vom Markt. Aber irgendeine gekränkte westliche Eitelkeit und Überheblichkeit scheint es immer noch zu geben. Es gibt zum Beispiel kaum ein Angebot alter Sherwood-Geräte, in denen nicht steht: Eines der letzten Modelle, das noch in Amerika gebaut worden ist. Als ob das etwas zu bedeuten hätte!

Tatsächlich ist Sherwood der einzige amerikanische Hifi-Hersteller, der mir so richtig gefällt. Gegen eine bestimmte Bulligkeit im Design der Marantz-Receiver habe ich eine instinktive Abneigung. The Fisher und Harman-Kardon haben mich einfach nicht packen können. Ganz anders Sherwood. Keine große Firma (ich kann die Werbung nicht mehr finden, aber es gibt eine Sherwood-Anzeige aus den mittleren Siebzigern, wo sie sich dafür bedanken, von in einer Hifi-Zeitschrift als vierterfolgreichste amerikanische Hifi-Firma bezeichnet zu werden, wirklich toll sei das. Sie könnten aber nur sagen: stimmt nicht, sie hätten die Zahlen, bestenfalls seien sie viertbeste Firma bei den Leuten, die Ahnung haben. That’s the spirit!). Aus Chicago, auch gut. Sherwood entwickelten und bauten ihre Geräte erst in den USA, verlagerten die Herstellung aber in den Siebzigern auch nach Japan. 1980 wurde das Unternehmen nach Südkorea verkauft. Ebay-Kleinanzeigen ist voll mit Sherwood-Geräten, die meisten kommen aber aus der Zeit nach 1980. Hier ist die Sherwood-Geschichte.

Der S-9910 ist ein amerikanisches Modell aus Japan.

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Ich glaube, dass ich dem S-9910 zum ersten Mal in einem Thread über die so genannten Monsterreceiver begegnet bin. Das sind die Receiver aus der zweiten Hälfte der Siebziger, als der so genannte Receiver War tobte: Geräte mit mindestens 2 x 100 Watt sinus. Da tauchte er auf, als einziges Produkt seiner Firma. Dann schaute ich, wie er aussieht und mochte ihn sofort – einige Zeit später gab es ihn dann in der Schweiz zu kaufen, und nach einigem hin und her bekam ich ihn auch. Der Verkäufer hing an dem Gerät und wollte es deshalb nicht verschicken, obwohl ich ihn x-mal anschrieb. Schließlich schickte ich jemanden über die Mitfahrzentrale. Auch nicht viel teurer als mit der Post. Und sicherer.

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Da ist er nun also. Ein sehr massives Gerät. Sieht aus wie ein Pioneer 939, den ich allerdings nur von Bildern kenne. Ich vermute, der Sherwood ist schwerer und mächtiger als der Pioneer, wenn man ihn tatsächlich vor sich stehen hat. Aber das Design folgt der ziemlichen klassischen Vorgabe von Pioneer: Silberne Front, die rund um das Frequenzband des Radios schwarz abgesetzt ist. Graviert, da steh ich ja drauf. Türkises Licht, zwei beleuchtete Anzeigen für Tuning und Signal.

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Der Sherwood hat den Lautstärke-Regler und den Radiotuning-Regler direkt nebeneinander, was gewöhnungsbedürftig ist.

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Es ist ein amerikanisches Gerät, läuft auf 110 Volt, weshalb mir der Verkäufer diesen Trafo noch mitgab. Der wiederum mit einem Schweizer Stecker läuft, muss auch übersetzt werden.

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Es ist ein Receiver, der eine elegante Solidität ausstrahlt. Groß, aber nicht zu groß, schwer,  gut anzufassen, vertrauenswürdig. Ich habe immer noch keine Möglichkeit, den Klang zu vergleichen. Ich finde ihn kraftvoll, so viel ist schon mal klar, auch wenn er leise spielt. Alles andere wäre bei einem Monsterreceiver auch verwunderlich.

Es gibt den S-9910 offenbar relativ selten, zumindest findet man im Netz nicht viel.

Die technischen Daten: hier.

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Ein Gedanke zu “Sherwood S-9910

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